Christoph
Raitmayr

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I see you from my window

Peter Weiermair

Der Titel der ersten Museumsausstellung von Christoph Raitmayr klingt wie der Beginn einer romantischen Erzählung. Das Ich des Sprechers identifizieren wir mit dem Künstler. Die Nennung des Fensters assoziieren wir natürlich mit den zahllosen, leeren Fenstern der von ihm aus Karton hergestellten Architekturmodelle, die ständig im Mittelpunkt seiner Objekt/Bildassemblagen stehen.

Das Moment des Geheimnisvollen, ja ein kalter Surrealismus mit einer Neigung zu Magrittehafter Objekt-Sprach-Beziehung ist diesen, wie Kinderspielzeug am Boden des Museums ausgebreiteten Inseln zu eigen. Man liest sie wie Texte, in denen die einzelnen Bestandteile jeweils auf Anhieb etwas „bedeuten“. Bei diesen Inseln, wie ich sie nenne, handelt es sich um ein Mit- und Nebeneinander von niederen, schmalen, schachtelähnlichen Sockeln, deren Herstellung der Künstler delegiert. Auf diesen positioniert er u. a. photographische Reproduktionen von Kunstwerken in stehenden, genormten Rahmen (mit dem Charakter von Erinnerungsbildern eines bürgerlichen Haushalts), einfache Modelle von Gebäuden aus der Geschichte der Architektur vom Biedermeier bis heute, also einer Geschichte des Wohnens, aber auch gefundene Objekte, wie etwa ein Segelboot, welches Rückbezüge auf die Kindheit und Jugend des Künstlers erlauben. „Seine minimalistisch reduzierten Häuser und Siedlungsmodelle thematisieren unterschiedliche, soziologische und gesellschaftliche Entwürfe, wobei diese durch ein vielschichtiges System an Verweisen und Assoziationen spielerisch gebrochen bzw. überhöht und somit auch kritisch hinterfragt werden“, schreibt Karola Kraus treffend in ihrer Würdigung des Künstlers. Freilich, die Charakterisierung der Werke als komplexe Erinnerungsräume und kollektive Erzählungen, in denen persönliche und kollektive Themen refl ektiert werden; dies erscheint mir zwingender als etwa die ebenfalls erwähnte Hinterfragung gesellschaftlicher Entwürfe. Raitmayr kommentiert nicht kritisch die unter­schied­lichen Architekturmodelle, die vom biedermeierlichen Familienhaus zur amerikanischen Kolonialarchitektur, den architektonischen Entwürfen von Einfamilienhäusern von E. Plischke oder G. Rietvield bis zur Werkbundsiedlung reichen.

Die photographischen Bilder von gemütvollen Natur- und Himmelslandschaften findet der Künstler im Internet und ruft sie dort ab. Andere Bilder wie etwa die Reproduktion des Amerling-Gemäldes „Im Träumen versunken“ zitiert er die eigene Kindheit erinnernd. Durch die Kombination von Objekten des Wohnens (etwa einer Bank, die nicht maßstabsgerecht mit den Häusern einen Dialog eingeht) mit Bildern, die er neuerdings flachlegt oder auf die Wände des Ausstellungsraums setzt, spricht er so über die eigene, psychische Konditionierung, über die er nichts „sagen“ möchte. Es existieren zwei mediale Bereiche, mit denen sich der Künstler parallel auseinandersetzt. Beide teilen zwar sein Interesse für Architektur, auch die der einheimischen, Tiroler Architekten, gehören jedoch zwei unterschiedlichen Bereichen an, den großformatigen Zeichnungen und den Objekt­assemblagen, wobei in den Zeichnungen die surreale Tendenz noch stärker zum Ausdruck kommt.

Die Zeichnung ist autonom und keineswegs Entwurf für die Installationen. In den zeichnerischen Architekturphantasien mit individuellen Möbelstücken kreuzt der Künstler Häuser mit Möbeln. Er lässt auch aus einem Hause einen Baum wachsen, der wiederum ein Baumhaus trägt. Das Baumhaus ist Ausdruck einer archetypischen Vision, Gleichnis für den Rückzug aus der Wirklichkeit und Symbol für das Bedürfnis nach Schutz, wie wir ihn aus kindlichen Phantasien kennen. In einer anderen Zeichnung absolutiert er eine Stiege, die von Irgendwoher ins Nirgendwo reicht. Neuerdings verstärkt er den traumhaften Charakter seiner Objektarrangements, indem er den Raum der Ausstellung mit einbezieht. Eine leere Autobahn bricht aus einer Wand und taucht in eine andere, die rechtwinkelig dazu steht, ein. In einer anderen Arbeit, die mit dieser kommuniziert, führt er eine Straße durch ein Haus. Es sind Visionen, die an jene gigantischen, asiatischen Städte der Welt erinnern, wo diese Vorstellungen bereits Wirklichkeit geworden sind.

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